– Spannung – Emotionen – Diskussionswert –
Der Film über das Attentat von Oslo: Ein Mann schoß mit einem Gewehr auf der Insel Utøya um sich, auf der gerade eine Jugendfreizeit stattfand. Viele Kinder sind an diesem Tag brutal getötet worden. Die Hinterbliebenen und Opfer leiden bis heute an schweren Traumata.
Dieser Film hat sich zur unmöglichen Aufgabe gemacht, dass Entsetzen und die Grausamkeit dieses Tages aus der Sicht eines Mädchens zu erzählen. 72 Minuten lang verfolgt die Kamera Kaya, wie sie versucht, ihre verlorengegangene Schwester auf der Insel zu wiederzufinden und vor dem Mann mit dem Gewähr zu retten. Sie weiß lange nicht, ob das Geschehen gerade nur eine Übung ist, bis sie verletzte Freunde und Kinder sieht, wie sie sterben.
Dabei gelingt es dem gesamten Filmteam, den Zuschauern die Panik, die Angst, die Sorge und das Adrenalin der Kinder so nahe zu bringen, wie ich es zuvor nie bei einem Film erlebt habe. Eineinhalb Stunden lang hat der ganze Saal den Atem angehalten, und als der Film vorbei war, sind Menschen in Tränen ausgebrochen, mussten tief Luft holen und haben sich noch sehr lange mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Ich habe bisher keinen Film gesehen, der auf eine bessere Art Emotionen vermitteln konnte und mir ein Geschehen so nah gebracht hat. Selten habe ich darüber hinaus eine solche schauspielerische Leistung gesehen. Jeder in diesem Raum konnte mit der Hauptfigur Kaya mitfühlen. Auch die besondere Kameraarbeit muss erwähnt werden: zuerst eine sehr lange Plansequenz, danach nur noch unsichtbare Schnitte brachten die Zuschauer noch näher ans Geschehen.
In Norwegen hat es viel Diskussion darüber gegeben, ob der Film der Aufklärung und Erinnerung dienen kann oder ob es noch zu früh ist, diesen Tag zu dokumentieren. Wie werden sich Opfer und Hinterbliebene wahrgenommen fühlen? Diese Diskussion wurde bei der Weltpremiere in Berlin nicht verschwiegen: Nach dem Film sind Betroffene des Attentates von Utøya auf die Bühne gekommen und haben erzählt, was sie bewegt hat. Dieser Dreh sei ihr Weg gewesen, mit dem Erlebten umzugehen. Das war wirklich sehr beeindruckend und mutig.
Aber kann ein Film etwas so Schlimmes und Schwieriges thematisieren? Ist dieses Erlebnis nicht viel zu vielseitig für einen Film und haben nicht alle Opfer etwas anderes an diesem Tag erlebt? Welche Geschichte möchte man erzählen, und wie geht der Zuschauer dann mit dem Gesehenen um? Diese Fragen versucht der Film zu beantworten, aber doch muss jeder Zuschauer für sich entscheiden, was er davon hält. Ich möchte Utøya 22 Juli jedem ans Herz legen. Nach dem Film wird man die Welt mit ein wenig anderen Augen sehen. Was meint ihr?